vom 08.02.2017 in der Lausitzer Rundschau

Frauen und Autos – für Sandra Schlechthaupt aus Ruhland passt das wunderbar zusammen. Sie wird quasi in der Autowerkstatt ihres Vaters Jürgen groß und hat den Schraubenschlüssel eher in der Hand gehabt als Puppenwagen oder Roller. Ältere Kunden können sich noch gut an das kleine blonde Mädchen zwischen Werkstattwagen und Hebebühne erinnern, wenn sie heute der Chefin ihr Auto anvertrauen.
Technisch begabt und mit der Kinderstube in der Werkstatt, war die Berufswahl für Sandra Schlechthaupt genaugenommen keine. „Das war irgendwie vorbestimmt. Ich hatte nie einen anderen Plan“, erinnert sie sich. Dabei hätte sie mit ihrem Einser-Abitur am Gymnasium Schwarzheide alles werden können. Wenn ihr andere sagen, sie hätte heute Ärztin oder Doktor der Chemie sein können, lacht sie. „Hätte, wäre, würde gibt es für micht nicht“, stellt sie klar. Mit ihrer Berufswahl zur Kfz-Mechanikerin hatte sie es nicht leicht. Als Mädchen wurde ihr weniger zugetraut, wenngleich das nicht jeder in der Berufsschule zugab. In ihrer Berufsschul-Klasse in Schwarzheide ist sie 1996 das einzige Mädchen unter 20 Jungen. „Als Frau musst du dir in dieser Branche alles erkämpfen, als Tochter vom Chef kommt noch ein Schlag obendrauf“, erzählt die 39-Jährige. Und sie lernt die Männerwelt auch von dieser Seite kennen: Kunden, die bei einer weiblichen Kfz-Mechanikerin gleich nach dem Chef fragen und partout darauf bestehen, dass ihr Wagen bloß nicht „von einem Mädel“ repariert wird. In den 1990er-Jahren hat sie das in Ruhland noch erlebt.
Sandra Schlechthaupt will zeigen, was sie drauf hat und hängt an den Facharbeiter-Abschluss die Meisterschule dran. Ihren Meisterbrief macht sie 2002. 15 Jahre später, am 1. Januar 2017, übernimmt Sandra Schlechthaupt als Chefin die Werkstatt des Vaters – und erfüllt rein optisch alle Vorurteile der Branche als reine Männerdomäne. Die Chefin ist blond, zart und nur 1,53 Meter groß. Dass sie in derber Mechaniker-Kluft steckt und ihre Hände immer dreckig sind, stört Sandra Schlechthaupt dabei überhaupt nicht. Die langen Haare steckt sie ganz uneitel hoch, und Nagellack war ohnehin noch nie ihr Ding. „Rot und Pink sind nicht meine Farben. Da bin ich wohl kein typisches Mädchen“, sagt die 39-Jährige. Ihr Ding sind stattdessen Auspuff, Bremsen, Stoßdämpfer, Kupplung und Kotflügel. Dabei kann sie ordentlich anpacken. Wenn sie überhaupt mal Muskelkater hat, dann vom Yoga in Arnsdorf, nicht aber vom Job.Nur eine Schwäche gibt die Jung-Unternehmerin zu: Unnötige Reparaturen oder Wartungen bekommt bei ihr kein Kunde aufgeschwatzt. „Dafür bin ich wohl nicht Geschäftsfrau genug“, lacht sie.
Mit der Werkstattübernahme zu Jahresbeginn ist Sandra Schlechthaupt in die Fußstapfen ihres Opas Paul und Vaters Jürgen getreten. 1957 hatte der Opa den Familienbetrieb als Vertragswerkstatt für Trabant und rumänische Fahrzeuge gegründet. Bis zum Jahr 1990 wurden neben dem Trabant die TV-Kfz, die sogenannten Balkanziegen, und die Aro-Jeeps repariert. Vater Jürger Schlechthaupt, der seit 1984 Werkstatt-Chef war, schaut als Rentner jetzt noch ab und an bei der Tochter vorbei und ist mit dem, was sein Mädel macht, auch sehr zufrieden.